Ein autobiografischer Alltagsbericht eines Autisten

Julian Leske erzählt aus seinem Leben

Kaum zu glauben, dass er Autist ist. Julian Leske, 27 Jahre alt, Verwaltungsangestellter, steht in der großen Aula des Gymnasiums Buchloe und hält einen Vortrag über Autismus. Eigentlich eher einen Vortrag über sich selbst. Über eine Kindheit, in der er immer auf Unterstützung angewiesen war. Keiner wusste so genau, was mit ihm nicht stimmt. Viele verschiedene Varianten von Behinderungen wurden bei ihm festgestellt. Die Diagnose Autismus – oder besser gesagt Asperger, was zu dem großen Bereich der Autismus-Spektrum-Störung gehört – bekam er dann erst mit 18 Jahren. Und er war froh darüber.

Der Vortrag von Leske war genauso kurzweilig wie lehrreich. Gespickt mit witzigen Episoden und Selbstironie, wie man sie einem Autisten gar nicht zutraut. Er hat gelernt, damit umzugehen. Jeder Autist ist anders, hat andere Fähigkeit und auch Einschränkungen. Während man den meisten Autisten nachsagt, dass sie eher naturwissenschaftlich orientiert sind, fühlt sich Herr Leske eher im Bereich der deutschen Sprache wohl, was ihm natürlich bei Vorträgen zu Gute kommt.

Sieht man ihn so stehen, dann glaubt man, dass er wohl das Glück hatte, ohne größere Probleme mit dieser Krankheit zurecht zu kommen. Aber er erzählt mit vielen Beispielen, dass dem nicht so ist. So hat er in seiner Grundschulzeit vier Schulbegleiter „verschlissen“, war zeitweise sehr aggressiv und hatte auch Leistungsprobleme in der Schule. So konnte ihm kein Lehrer klar machen, dass es eine Notwendigkeit gibt, Mathematik zu lernen und auch heute noch hat er gegen dieses Fach eine große Aversion. Eine Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln ist für ihn nur zu ertragen, wenn er seinen Bluetooth-Kopfhörer mit lauter Techno-Musik auf den Ohren hat. So ist er geschützt vor den vielen akustischen Eindrücken, die auf ihn ansonsten einströmen und ihn auch überfordern würden. Und er kann sich nie sicher sein, ob er die Haustüre auch wirklich abgeschlossen hat. Erst wenn der Schmerz im Daumen beim Umdrehen des Schlüssels zu groß wird, kommt langsam das Signal an, dass die Tür wohl doch verschlossen sein muss.

Für Julian Leske war nach dem Vortrag auch vor dem Vortrag, denn am nächsten Morgen stand er unseren Schülern Rede und Antwort. Bereits im Vorfeld wurde im Unterricht das Thema Autismus besprochen und die Schüler trugen Fragen zusammen, die teilweise auch sehr persönlich waren. Keine Frage wurde ausgelassen, egal ob es um das Thema Liebe und Sexualität oder auch nur um die Fähigkeit des Fahrradfahrens und Sporttreibens ging.

Wie sinnvoll der Gedanke der Inklusion ist, haben die zwei Tage mit Julian Leske gezeigt. Autisten sind besondere Menschen, die sicher etwas mehr Aufmerksamkeit benötigen, aber ein enorm großes Entwicklungspotential haben. Es lohnt sich.

Jan Kolditz

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